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Ich bin dann mal Notarztpraktikantin

Da studierst Du 6 Jahre, arbeitest neben Kids und Familie weitere neun Jahre in diversen Fachrichtungen, beginnst zu bloggen und Journalismus zu studieren, weil es ja noch viel zu viele interessante Dinge im Leben zu sehen und zu lernen gibt. Du bist zwar immer noch kein Facharzt, weil Du nur in Teilzeit arbeitest (in der Klinik sind 75% plus Dienste keine Vollzeit und Dienste werden ohnehin nicht angerechnet), aber fühlst Dich immer so, als müsstest Du noch mehr machen. Mehr lernen, mehr wissen, mehr machen. 

 

Die Medizin ist ein unendliches Feld und das Schöne an der Allgemeinmedizin ist, dass Du von Allem etwas hast. 

 

  • Viel Reden über Probleme, Befindlichkeiten, Alltag. Die Menschen erscheinen mir sehr belastet von der Arbeit und ihrem Alltag, der immer hektischer, lauter, ungeordneter wird. 
  • Viel Psychosomatik und manchmal auch Psychiatrie. Neulich war ein Patient mit einer akuten Psychose bei mir. Da kommt man doch an seine Grenzen und muss aber ruhig und besonnen bleiben und vor allem handeln. Mit ein bisschen Blabla ist es hier nicht getan. 
  • Viel Innere Medizin mit Blutdruck, internistischen Vorerkrankungen, Bauchschmerzen.
  • Viele orthopädische Krankheitsbilder mit Rückenschmerzen, eingebauten Ersatzteilen und Gelenkschmerzen.
  • Etwas chirurgische Wundversorgung. 
  • Viel allgemeinmedizinische Grundversorgung bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Magen-Darm, Check-ups, Disease Management Programme.
  • Ein bisschen Auge, ein bisschen Ohr. 

 

Und manchmal ein bisschen Notfall

 

 

Meistens kann man diese Notfälle nicht mit denen in einer Notaufnahme vergleichen. Wir können nicht so ausführliche Diagnostik machen, so dass manchmal eventuell auch ins Krankenhaus eingewiesen wird, obwohl der Patient „nichts“ hat, wie sich im Nachhinein herausstellt. 

 

 

Ein Beispiel:

 

Ein Mann mit klassischer Risikokonstellation (Mann, mittelalt, Raucher, adipös, Blutdruck), kommt mit Schmerzen in der Brust in die Hausarztpraxis. Die Schmerzen bestehen laut Patient seit dem Vorabend, sind bei Belastung stärker und strahlen in die Schulter aus. Da wirst Du hellhörig. 

 

Also weiter fragen: Wie war der Blutdruck zuhause? Wie stark ist der Schmerz auf einer Skala von 1-10, wenn 10 der schlimmste vorstellbare Schmerz ist? Haben Sie Luftnot? Haben Sie schwer gehoben? Hatten Sie so etwas schon mal? Aktuell Fieber oder Husten? Evtl. mit Auswurf? Eine lange Flug-/Busreise gehabt? 

 

Dann untersuchen: Abhören, Pulse tasten, Blutdruck. Auf den Wirbelsäule drücken, auf das Sternum und die Rippen drücken, ist der Schmerz auslösbar? Myogelosen? Schulter beweglich?

 

Am Ende kommt man nicht um das EKG und den Troponin-Test drum herum, sofern die Angaben und Ergebnisse nicht für eine eindeutig infektiöse Ursache oder Schmerzen des Bewegungsapparates sprechen.  

 

Weiter im Programm: 

Das EKG zeigt T-Negativierungen. Zack, Notaufnahme. 

Das EKG zeigt nichts, aber der quantitative Troponin-Test oder D-Dimer bei Verdacht auf Lungenembolie schlägt an. Zack, Notaufnahme.

EKG und Troponin sind unauffällig, die Beschwerdekonstellation aber so ausgeprägt, dass weitere Diagnostik umgehend erfolgen sollte. Zack, Notaufnahme. 

 

Ich habe einmal eine Dame eingwiesen, die schwer nach Luft ziehend vor mir saß. Die Atemhilfsmuskulatur einsetzend (sprich: nach vorne gebeugt, sich abstützend) zieht sie nach Luft, schnappt nach jedem Wort nach Atem. 

Sowohl D-Dimer als auch Troponin sind unauffällig. Blutdruck 130/75 mmHg, Puls 86/min. Kein Fieber, Auskultation vollkommen normal, keine Schmerzen. Sättigung 97%. Und jetzt? Nach Hause schicken? Nö. Die Dame leidet. Also Zack, Notaufnahme. 

Bei den unauffälligen Werten schüttelt jeder Not- und jeder Klinikarzt den Kopf. Wieder so ein Hausarzt, der keine Ahnung von allem hat. Aber was ist die Alternative?

 

 

Nach ZNA und Praxis nun also auf die Straße

 

Im Oktober habe ich den 80stündigen Notarztkurs gemacht und möchte nun die vorgeschriebenen 50 Fahrten sammeln. Erst danach darf man selbstständig als Notarzt fahren. Das ist auch gut so, denn je mehr Erfahrung ein Arzt sammelt, umso besser wird er. 

 

Also sammle ich. Weiterhin in der Praxis als Landärztin, „nebenbei“ als Notarztpraktikantin. Ich sammle Texterfahrung und Schreibwissen durch das Bloggen, aber lasse mein Fernstudium aktuell schleifen. Alles geht nun einmal doch nicht. Jetzt ist der Notarzt dran. Und dann mal sehen, wohin mein Wissensdurst mich dann treibt. Ich habe noch andere Pläne im Kopf. Doch die behalte ich vorerst für mich. 

 

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