Unser Gesundheitswesen ist marode. Gewaltig. Es bröckelt. Wie ein altes Gebäude, an dem die Risse stets nur neu verputzt werden und der Fassade gelegentlich mal ein neuer Anstrich in fröhlichen Farben verpasst wird.
Es bräuchte einen Abriss. Und dann einmal neu aufbauen, bitte. Wenn Deutschland das so gut hinbekommt, wie den Berliner Flughafen, dann haben wir schon im Jahr 2050 ein neues System.
Bis dahin berichte ich einfach mal, was Frauen und Familien sich so gefallen lassen müssen. Es sind Originalaussagen. Ich lasse es unberwertet so stehen. Ein Bild kann sich jeder selbst machen.
Wenn Namen dabei stehen, sind es Twitternamen. Ich kenne alle, bis auf eine der Kolleginnen persönlich und sie sind mit der Veröffentlichung einverstanden.
„Wir können ja mal was trinken gehen“
„Eine Freundin von mir hat sich für ihre Dissertation irgendwo vorgestellt, dort fand ein Gespräch mit dem Oberarzt statt. Sie hat sich vorgestellt und Fragen zur Doktorarbeit gestellt.
Das Einzige, was er antwortete, war: ‚Du siehst ja ganz gut aus, wir können doch mal was trinken gehen.‘
Natürlich hat dieselbe Freundin dann woanders promoviert. Dort fand ein Arbeitsgruppentreffen statt. Anwesend waren sie und eine Kollegin sowie ein deutlich jüngerer Medizinstudent.
Der Doktorvater oder einer in vergleichbarer Position ging zu dem Studenten, schüttelte ihm die Hand und sagte: „Herzlich Willkommen, schön Sie zu sehen. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ergebnisse.“
Zu ihr und ihrer Kollegin hingegen sagte er: ‚Na, und was macht ihr Mäuse hier so?’“ (Nini Bela)
„In meiner ersten Stelle bekamen alle Frauen Halbjahresverträge und die Männer Weiterbildungsverträge (Anm. SFD: Weiterbildungsverträge belaufen sich auf die Dauer der Weiterbildung, also 5-6 Jahre). (Kind und Kittel)
„Eine Kollegin fragte den Chef warum der frisch fertige Medizinstudent mit darf zur Schrittmacherimplantation und nicht sie, obwohl sie es für den Facharzt bräuchte. Sie fragte auf dem Flur bei der Chefarztvisite. Er ging dann ins Patientenzimmer und erklärte ihre vor versammelter Mannschaft, dass sie selbst schuld sei, weil sie ja Kinder wollte.“ (Kind und Kittel)
„Ich musste mich als PJlerin (Anm SFD: Studentin im letzten Jahr des Studiums) in der Chirurgie immer im Arztzimmer umziehen. Und ‘zufällig’ kam immer der Oberarzt herein, um was Wichtiges aus dem Raum zu holen. Und als ich darum bat, bitte anzuklopfen wurde mir gesagt, ich sei halt nicht hart genug für den Job. Damals fand ich das noch irgendwie normal.“ (Narkosoid)
„Meiner Kollegin (keine Ärztin, wir arbeiten in der Verwaltung) hat der Leitende Oberarzt gesagt, sie solle sich doch um den Patienten mit Erektionsproblemen kümmern, damit kenne sie sich ja aus. Der Gleiche hat meine Arbeit als “Hausaufgaben” abgetan weil ich nicht nach seiner Pfeife tanze sondern meine Aufgaben mit meinem Abteilungsleiter abgesprochen hab.“ (Centilith)
„Mein Chef meinte zu mir, dass ich mich nicht mit den anderen Oberärztinnen vergleichen darf, da ich ja abends keine Artikel mehr lesen würde (Ich habe drei Kinder).“(Ygritte)
"Der Oberarzt nimmt mir eine OP aus der Hand, für die ich auf dem Plan stand. Mit den Worten: Wieso sollte ich Sie ausbilden? Sie lassen sich doch eh irgendwann wegschwängern." (Surgeon Puppy)
"Kollegin schwanger, mehrere Dienste neu zu besetzen. Für einen Dienst kommen drei Leute in Frage: ein Mann und zwei Frauen. Der Mann sagt nein. Thema durch. Die Frauen sagen ebenfalls nein, sie haben in diesem Monat beireits die meisten Dienste von allen. Reaktion des Oberarztes: 'Ich hätte ja erwartet, dass wenigstens die Frauen sich solidarisch zeigen, wenn eine von Ihnen schwanger wird.'" (Beuteltier)
"Mein Ex-Chef sagte im Vorstellungsgespräch zu einer neuen Kollegin: 'Ach, Sie können gar nicht schwanger werden? Das ist ja toll!'" (Frau mit Ziel)
"Während meiner Chirurgie-Famulatur wollte mich der Oberarzt auf die Kinderchirurgie abschieben. Als ich meinte, dass mich Kinder nicht so interessieren, sagte er: "In Ihrem Alter sollten Sie sich aber langsam dafür interessieren.'" (Kaltes Blut)
Die folgenden Aussagen sind von einer Kollegin, die ich persönlich kenne, die aber anonym bleiben möchte:
„Aussage meines Chefs: Sie sind nicht planbar. Wenn Herr XY sich das Bein bricht und sechs Wochen ausfällt, ist das planbar. Aber wenn Sie wegen der Kinder spontan ausfallen, ist as nicht planbar und ein Supergau für die Abteilung.“
Komischerweise wurde das NIE zu Männern mit Kinder gesagt und auch nicht zu verheirateten Kolleginnen, die ab und zu mal wegen des kranken Kindes fehlten.“
„Der Vorgesetzte schaute die schwangere Kollegin an: ‚Kann man mit so kleinen Brüsten überhaupt stillen? Ist bestimmt schwierig.‘“
Sprüche kloppende weibliche Vorgesetzte und diskriminierte Männer
Es ist aber bei Weitem nicht so, dass nur Männer sich gegenüber Kolleginnen daneben benehmen. Auch Frauen bekommen das gut hin.
Die anonyme Kollegin berichtet aus dem OP:
„Eine Assistenzärztin musste im OP vom Tisch abtreten, weil ihr schwindelig war. Sie ging kurz raus. Die Chefärztin sagte vor der gesamten Mannschaft: „Ach Mist, ist die nächste schwanger…!“
Persönlich kann ich berichten, dass sich meine Oberärztinnen während meiner Schwangerschaft weigerten, mir Dinge beizubringen. „Du hilfst uns mit Deiner Schwangerschaft nicht, jetzt helfen wir Dir auch nicht mehr.“
Und auch vor Männern, die sich um die Familie kümmern möchten, macht die Abwertung nicht Halt.
Nini Bela schreibt:
„Ich habe das auch bei männlichen Kollegen erlebt. Die Oberarztperspektive ist weg wegen einer Stellenreduzierung auf 80%. Kollegen, die wegen zwei Monaten Elternzeit im OP beschimpft wurden, sagten ihre Elternzeit wieder ab.“
Wer möchte unter diesen Bedingungen noch eine Großfamilie gründen?