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Ich! Ich! Ich! Über eine Reanimation

 

Ein Vorfall in der Praxis raubte mir letzte Nacht den Schlaf. Ich bin sehr müde in die Praxis gegangen, weil mein jüngerer Sohn krank ist und ich stündlich wach war. 

Die erste Stunde verlief eher ruhig, ich konnte etwa sechs Patienten „abarbeiten“. Dann kam unsere MFA in mein Zimmer gestürmt, rief „Notfall“ - und dann stand der Praxisbetrieb für eine Stunde still.

 

Ich kann an dieser Stelle nicht viel erzählen. Lediglich, dass unsere MFA’s mit Decken die Sicht abschirmten und die „Gucklöcher“ in der Wartezimmertür mit Papier abklebten, damit die anderen Patienten nichts zum Gucken haben.

 

Wir waren anschließend alle erschöpft, fix und alle und hätten danach gerne geredet, Pause gemacht. Aber der Betrieb musste weitergehen. Die Patienten hatten sich "angehäuft" und manchen fehlte das Verständnis für diese Situation.

 

Das Verständnis dafür, dass Notfälle IMMER Vorrang haben. Und ich meine nicht die „Ich habe seit einer Woche Halsweh, aber heute ist es besonders schlimm“- Notfälle. 

 

Ich meine die Notfälle, die sich nicht ankündigen, sondern die meist still und leise kommen und wie ein Tsunami alles mit sich reißen. 

 

Es fehlt das Verständnis, dass wir als Mitarbeiter im Gesundheitswesen auch nur Menschen sind, die auch mal müde oder erschöpft sind und in Notfall-Situationen funktionieren müssen. Danach aber auch Tränen in den Augen haben. 

 

Es fehlt die Einsicht, dass „Ich“ eben mal nicht so wichtig bin, sondern andere wichtiger. Das kann ich auf mich beziehen, denn meine Nacht war unruhig und ich müde. In dem Moment war ich aber nicht wichtig. 

Das kann der Patient auf sich beziehen, der sich an der Anmeldung beschwert, warum es denn so lange dauert. Obwohl die Situation offensichtlich ist. Aber er ist in dem Moment nicht wichtig. 

Das Verständnis und die Empathie ist in „unserer Gesellschaft“ (jetzt wird es gesellschaftskritisch) nicht mehr sehr ausgeprägt.

 

Notfallsanitäter erzählten mir von Situationen, in denen wild gehupt wurde, wenn der Rettungswagen mit Blaulicht und Tatütata vorbeifahren musste. 

 

In den Medien liest man von Menschen, die Rettungswagen zur Seite fahren, weil der Wagen dort stört. Das kann lebensgefährlich für den Patienten sein, denn der Notfallsanitäter muss schließlich schweres Equipment zum Einsatzort bringen. Alleine der Koffer wiegt 25 kg, die Trage muss geholt, das Sauerstoffgerät in Reichweite sein. 

 

Und was interessiert die Menschen? Ihr Rezept, ihre Zeit,ihre Spritze, ihre Fahrbahn oder ihr Handyvideo. Denn das geht fast immer: Gaffen und/oder filmen, denn verpassen will man dann doch nichts.

 

An dieser Stelle ein Danke und ein großes Lob an „meine“ MFA’s. Ihr wart klar und aufgeräumt, zur Stelle, habt alles richtig gemacht und den Betrieb am Laufen gehalten. Ihr seid die Größten!

 

Und ein Danke an alle lieben Patienten, die danach sagten: "Alles gut, jeder von uns kann in eine Notlage geraten."

 

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