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#CoronaEltern - Warum mein Kopf kaputt ist

„Ich denk, ich denk’ zuviel, es wäre schön, wenn mein Kopf aus dem Fenster fiel.“ Danke an Peter Fox für diese Zeilen aus „Kopf verloren“. So geht es mir auch gerade. 

 

Ich möchte bloggen, wie jeden Samstag. Aber es geht nicht. Mein Kopf ist kaputt. Oder zu voll mit anderen Dingen. 

Ich jongliere seit dem Lockdown und dem Beginn der Coronapandemie zwischen Homeoffice, Homeschooling, Cooking, Bespaßing, Aufräuming, Washing, Putzing und Nicht-Durchdrehing. 

 

Dabei geht es uns gut. Ich habe keinen Grund zu jammern. Aufgrund meiner Elternzeit mit den beiden großen Jungs kann ich mir die Zeit einteilen. Wer hat schon so viel Freiheit? Außerdem haben wir einen Garten und sind umgeben von der wunderschönen Wetterauer Natur. Wir fahren mit dem Rad oder wahlweise mit dem Auto zu tollen, einsamen Orten und machen Picknick. Eigentlich picknicken wir immer. Es dreht sich noch mehr ums Essen, als sonst, weil das ja auch Balsam für die Seele ist. 

 

Meine Jungs sind großartig und machen alles, ohne zu Murren. Aber es verändert sie. Ich merke es einfach an ihrem Verhalten, aber das zu veröffentlichen, ist nun doch wieder zu persönlich. 

 

Mein Tag at home

 

Mein Tag sieht aktuell so aus, dass wir in der Frühe aufstehen und frühstücken. Dann spielen die Kinder ein bisschen und ich versuche, E-Mails zu beantworten und vielleicht schon eine Stunde zu arbeiten. Gegen 9 Uhr fangen wir mit den Schulaufgaben an. Ab dem Zeitpunkt ist Homeoffice passé. 

Mit einer Pause arbeiten die Kinder bis etwa 12 Uhr, dann mache ich Mittagessen. Schließlich räume ich auf, mache parallel eine Wäsche und wir überlegen uns das Programm für den Nachmittag. Die Bewegung fehlt, also müssen wir sie ersetzen. Wir machen ausgedehnte Radtouren, Wanderungen und schauen uns einsame Orte an. Oder gehen im Garten toben und spielen. Dafür muss ich natürlich wieder Essen vorbereiten. Irgendwann dazwischen kümmere ich mich um den Gemüsegarten (oft zusammen mit meinen Kindern) und die Kinder dürfen natürlich auch definierte Zeiten das Tablet verwenden oder fernsehen.

 

Abends kommen wir nach Hause, essen, duschen, lesen, schlafen. Dann Wäsche machen, aufräumen und wenn ich noch Energie habe, Homeoffice fortsetzen. Eigentlich muss ich parallel mein lektoriertes Manuskript korrigieren und einen zehnseitigen Artikel für eine Fachzeitschrift fertigstellen. Ich mache es irgendwann an meinen kinderfreien Tagen. 

 

Die Buhmänner der Nation

 

Und was ich feststelle? Es geht alles. Wir kriegen es hin. Die Jungs machen es toll. 

Dennoch ärgert mich, dass Kinder derzeit zu den Buhmännern der Nation stilisiert werden. 

Ihnen wird weisgemacht, dass sie die Schuldigen in einer Ansteckungskaskade seien und der Kontakt mit ihnen lebensgefährlich. Woher das kommt? Aus einem internen Papier, das aus dem BMI stammt, inzwischen nicht mehr intern gehalten wird und aus dem hervorgeht, man solle den Kindern (und der Bevölkerung im Allgemeinen) möglichst viel Angst machen. Gerne auch mit  Hilfe von fiesen Bildern.

 

Ich zitiere: „Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon zuhause qualvoll stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“

 

Autsch. Ob Kinder aus dieser Krise verändert hervor gehen? Ob sie Ängste entwickeln? Vor dem Kontakt mit Keimen (Mysophobie), vor dem Kontakt mit Menschen („Ich könnte sie anstecken“), vor anderen Menschen („sie könnten mich krank machen“)? Wie sehr verändert die Krise unsere Kinder?

 

Kinder werden für die Panikmache instrumentalisiert. Dabei verstehen sie oft besser als so mancher naturtrüber Erwachsener, wie man einen Mund-Nase-Bedeckung trägt, und wann und warum sie wichtig ist. Natürlich trifft das nicht auf die Minis zu, aber das ist eigentlich selbsterklärend.

 

Es geht mir auch nicht darum zu behaupten, die Ansteckung via Kinder sei nicht vorhanden. Es wird ja gerade viel geforscht und in einer französischen Studie konnte man zumindest keine Ansteckung durch ein Covid-19-positives Kind in seinem Umkreis finden. Aber eine Studie sagt noch nicht viel aus. Weitere müssen folgen. 

 

Shopping ja, Spielplatz nein

 

Aber: Kinder sind nicht die Gefahr der Nation. Wir alle müssen unseren Beitrag leisten. Erwachsene schreien nach Fußball und Oktoberfest, aber Spielplätze werden von den gleichen Menschen als die Gefahr aus der Hölle angesehen. 

 

„KiTa’s sind kleine Ischgls“, stand so (oder ähnlich) neulich im Tagesspiegel. Nein. Ischgl war schon immer ein Treffpunkt von Menschen, die betreutes Trinken schätzen. Skifahren und Saufen. Noch nie gehört, dass Kinder sich derart gehen lassen. Kinder können nichts für ihre Kindergartenseuchen. Erwachsene könnten sich in Verzicht üben, solche Veranstaltungen zu besuchen (oder zu organisieren), wollen sie aber häufig nicht. Karneval, Starkbierfeste, Kuscheln im Fahrstuhl. Waren das Kinder oder Erwachsene?

 

Im leider eher kinderfeindlichen Deutschland werden eher Shoppingcenter eröffnet, damit Kinderlose oder Ältere ihr Geld ausgeben können, als dass man Eltern unterstützt, die zuhause an den Rand ihrer Belastbarkeit geraten. Wir Eltern können nicht shoppen gehen und erfahrungsgemäß ist das auch nicht die Priorität. Weil erstens, die Kinder ja nicht mit in Einkaufsläden gehen dürfen. Und zweitens, weil viele Eltern weniger Geld zur Verfügung haben. Kurzarbeit oder weggebrochene Aufträge, unbezahlter Urlaub oder reduzierte Stundenzahlen gehen eben zu Lasten des Kontos. Dass die Wirtschaft sukzessive wieder hochgefahren wird, finde ich gut. Ohne Wirtschaft kein Geld, ohne Geld kein Gesundheitswesen.

 

Aber wenn Eltern am Boden liegen, kann man auch keine wirtschaftlichen Höchstleistungen erwarten. Und schützen muss man die Menschen vor Covid-19, keine Frage. Ich bin froh, dass ich keine politischen Entscheidungen treffen muss. Dennoch fallen aktuell gerade die Eltern (und insbesondere die Frauen, weil sie häufig das Homeschooling übernehmen und zuhause bleiben) in einen blinden Fleck. 

 

Lebensmitteleinkäufe sind auch teurer geworden, weil man mehr Essen/Drogerieartikel/Haushaltswaren benötigt. Nur etwa alle zehn Tage gehe ich einkaufen, denn ich kann ja die Kinder nicht mitnehmen. Nun sind sie zwar schon größer, aber ich habe das einfach nicht so gerne, wenn sie länger alleine zuhause sind. Also hamstere ich alle zehn Tage und werde regelmäßig schief angeschaut. „Wieder so eine Verrückte“, denken sich die Menschen vielleicht, wenn ich das Kassenband belade. Aber den bis zum Rand gefüllten Einkaufswagen brauche ich nun mal, wenn man drei bis acht Mahlzeiten am Tag produzieren muss. Oder auch mal mehr. 

 

Der Hashtag #CoronaEltern erobert das Netz und ich kann es nachfühlen. Das hat auch nichts mit Jammern zu tun. Man fühlt sich einfach im Stich gelassen. 

 

Das sind also die Dinge, mit denen ich mich aktuell rumschlage. Parallel lese ich viele Artikel zu Corona und Covid-19, auch von Kritikern. Denn man kann sich stets nur ein eigenes Bild machen, wenn man Informationen aller Seiten zulässt. Es gibt nicht nur eine Wahrheit. Corona hat viele Seiten und eine davon ist meines Erachtens, dass zu viel mit den Ängsten der Menschen gespielt wird und ganze Gesellschaftsschichten im Stich gelassen werden.

 

Den Kopf abschrauben

 

Und eigentlich habe ich so viele Themen im Kopf, über die ich schreiben will: Nahrungsergänzungsmittel, Wechseljahre, Heuschnupfen. Aber mein Kopf ist zu besetzt. Tot quasi.

 

Apropos tot: Aus der Pathologie habe ich auch noch Geschichten parat. Zum Beispiel die eine von dem Herren, der verstarb, weil seine Speiseröhre ein Geschwür hatte und riss. Der unmittelbare Kontakt der Speiseröhre zur Aorta sorgte für ein Verbluten innerhalb von Sekunden. Der gesamte Magen und der Dünndarm waren mit Blut austamponiert. Es war faszinierend und irgendwie grausam.

 

„Mein Höllenschädel rauch und kracht. ich pack das verdammte Ding und schraub es ab.“

 

Das würde ich jetzt auch gerne tun. Und nach Corona wieder anschrauben. Mein Sohn sah eben das Bild zum Artikel und staunte: "Boah, hat die viel zu tun!"

 

Ja, so ist das. Und jetzt muss ich Essen machen. 

 

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Bild von Clker-Free-Vector-Images, Pixabay