Das neue Jahr hat begonnen und noch immer befinden wir uns mitten in der Corona-Pandemie. Die Zahlen gehen aktuell nach Einleitung härterer Kontaktbeschränkungen etwas herunter, aber noch kann man keine Aussage darüber treffen, ob die Lockdown-Maßnahmen greifen, oder ob die Feiertage ihre Spuren hinterlassen haben.
Da die Inkubationszeit - also die Zeit zwischen Ansteckung und dem Auftreten von Symptomen - bis zu 14 Tage dauern kann, müssen wir die Zahlen noch einige Tage beobachten, um einen Trend sehen zu können.
Es heißt also weiter: Abstand halten, Maske tragen (bitte FFP2 wenn möglich) und Kontakte stark reduzieren. Das Virus benötigt Kontakte, um sich zu verbreiten, daher ist die weitestgehende Isolierung aktuell die beste Maßnahme.
Der holprige Impfstart
Eine Chance haben wir aber: Es gibt endlich die Impfung gegen Covid-19. Noch nie wurde eine Impfung so rasch entwickelt und zugelassen und ich empfinde große Hoffnung, dass wir damit wieder in ein Leben ohne Corona-Sorgen zurückkehren können.
Leider begann der Impfstart sehr holprig, obwohl Mitte Dezember schon klar war, dass die Impfung von Biontech/Pfizer in anderen Ländern eine Zulassung erhielt und auch in Deutschland wahrscheinlich zugelassen werden würde. Und das sogar in einer echten Zulassung und nicht als Notfallzulassung. Das heißt, der Impfstoff wurde auf Herz und Nieren geprüft.
Ich hatte bereits Mitte Dezember die ersten Termine für meinen Einsatz als Ärztin in einem Impfzentrum und war Feuer und Flamme. Endlich würde es losgehen! So dachte ich.
Dann wurden meine Einsätze verschoben, weil es nicht genügend Impfstoff gab. Gibt.
Während andere Länder täglich bis zu 150.000 Menschen impfen, haben wir seit dem Impfstart vor einer Woche gerade mal 250.000 Menschen mit der rettenden Spritze versorgt, obwohl die Zentren bereit stehen - aktuell stehen sie aber leer.
Warum Deutschland so wenig Impfstoff erhält, liegt daran, dass zu wenig eingekauft wurde. So einfach ist das wohl. Es wurde die europäische Lösung gewählt und man setzte auf diverse Impfstoffe, um im Falle von Problemen bei der Zulassung auf Alternativen setzen zu können.
Kann ich irgendwie nachvollziehen, denn in die Zukunft blicken können wir alle noch nicht. Und irgendwie verstehe ich es gleichzeitig auch nicht, denn recht schnell wurde klar, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer die Zulassung erhalten würde.
Immerhin sind mobile Teams unterwegs und verimpfen den Stoff an Menschen aus der gefährdetsten Menschengruppe, die da wären: sehr alte Menschen in Pflegeheimen, die Pflegenden und Mitarbeiter aus Covid-Schwerpunktstationen.
Was gut so ist, denn wenn die Alten und Hochbetagten weniger schlimm erkranken, entlastet das die Krankenhäuser. Und selbstredend muss das Personal, das am nächsten an den Covid-Patienten arbeitet, geschützt sein. Warum in einigen Bundesländern noch nicht alle Schwerpunkt-Mitarbeiter durchgeimpft sind, ist mir ein Rätsel. Und warum manche Menschen aus dem Gesundheitswesen sich nicht impfen lassen wollen, ebenfalls.
Ich habe den Eindruck, es fehlt das Vertrauen, dass die Vakzine helfen wird.
Das Chaos beim Impfstart, die rasche Entwicklung und die Scheibchen-Taktik beim Lockdown fördern nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung, in den Umgang mit der Pandemie und damit auch das Vertrauen in die Impfung.
Patienten sprechen mich an und sagen: „Die wissen doch nicht, was sie tun.“
Oder: „Was halten Sie denn von der Impfung?“
Viele Skeptiker der Corona-Impfung sind keine Impfskeptiker per se und in der Regel aufgeklärte Patienten. Die Verunsicherung ist aber groß, daher möchte ich die wichtigsten Fragen aus der Praxis einmal aufgreifen und erklären.
10 Fragen zur Corona-Impfung
1. „Was halten Sie denn von der Impfung?“
Kurz gesagt: Ich habe große Hoffnung und großes Vertrauen, dass wir damit die Pandemie endlich in den Griff kriegen.
Impfungen haben seit je her schlimme Krankheiten besiegt: Pocken, Kinderlähmung, Masern. Ohne die Impfungen wären diese Krankheiten nicht nur Namen in Medizinbüchern, sondern Todes- und Krankheitsfälle und Schicksale. Die Kinderlähmung führte Kinder in die „Eisernen Lungen“, damit sie atmen konnten. Covid-19 führt Menschen an die Beatmungsgeräte und die ECMO, die Extrakorporale Membranoxigenierung: eine Methode, um Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anzureichern, wenn die Lungen versagt haben.
Die Impfung ist unsere einzige Chance und ein Segen.
2. „Aber es ging so schnell? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu?“
Es gibt verschiedene Impfstoffe gegen Covid-19. In Deutschland aktuell zulassen ist der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Es wird erwartet, dass am 6. Januar die Vakzine von Moderna eine Zulassung erhalten wird, hierbei handelt es sich ebenfalls um einen mRNA-Impfstoff. AstraZeneca hat einen Vektor-Impfstoff entwickelt, der russische Impfstoff SputnikV, der unter anderen auch in Argentinien eingesetzt wird, ist ebenfalls ein vektorbasierter Impfstoff.
Aber was heißt das denn jetzt? mRNA-Impfstoffe werden nicht erst seit der Corona-Pandemie erforscht. Bereits seit vielen Jahren wird diese Methode erprobt, um Infektionskrankheiten und Krebs zu behandeln. Es ist also kein aus dem Boden gestampftes Verfahren. Ein Vektor-Impfstoff nutzt harmlose Viren, um die Information in die Zellen zu schleusen.
Schnell konnte es außerdem gehen, weil durch die hohe Anzahl an Erkrankten viele Menschen in die Studien eingeschlossen werden konnten (42.000, um genau zu sein), viel mehr als sonst üblich. Die Ergebnisse wurden parallel in einem „rolling review“-Verfahren begutachtet und nicht, wie eigentlich bei klinischen Studien üblich, erst im Nachhinein. Sprich: Sobald es neue Ergebnisse von Patienten gab, wurden sie geprüft, das hat viel Zeit gespart.
3. „Kann die Impfung meine Gene verändern?“
Nein. Die mRNA ist eine Art Bauplan. Ich erkläre es an einem Beispiel: Unsere DNA, also unsere genetische Information, zum Beispiel für ein Verdauungsenzym, ist verschlüsselt. Damit unser Körper aus der Information das benötigte Enzym bauen kann, muss sie ausgelesen und übersetzt werden. Das Ergebnis ist die mRNA - ein Bauplan, anhand dessen unser Körper verschiedene Eiweißbausteine zusammenbasteln kann. Wie ein Lego-Bauplan, anhand dessen man sein Spielzeug bastelt.
Der mRNA-Impfstoff ist nichts anderes: ein Bauplan, der in die Zellen aufgenommen wird, damit unser Körper dann weiß, welches Eiweiß er konstruieren soll. Ihm wird gesagt: „Bau das eine kleine Teilstück des Coronavirus nach, hopp hopp!“
Dieses Teilstück aktiviert die Produktion von Antikörpern gegen das Virus und stimuliert zusätzlich die sogenannten T-Zellen, die für eine längere Immunantwort wichtig sind.
Die mRNA kann nicht wieder in DNA umgewandelt werden, genausowenig wie wir aus einem Lego-Bauplan wieder ein Stück Holz aus der Papierfabrik machen können.
Das Coronavirus ist im Übrigen nichts anderes, als mRNA in einer fettigen Hülle. Nur eben mit krankmachendem Effekt.
4. „Und die Langzeitfolgen?“
Es gibt einen tollen Artikel bei den Volksverpetzern zu dem Thema, dessen Lektüre ich nur empfehlen kann.
Es sei kurz gesagt, dass Totimpfstoffe, bei denen also kein abgeschwächtes Lebendvirus injiziert wird, sondern "tote" Materie, nach 48 Stunden in der Regel keine Nebenwirkungen aufweisen. Die mRNA-Vakzine lässt in den Zellen ein Stück "tote Materie" produzieren.
Nebenwirkungen sind möglich, natürlich sind sie das.
Unverträglichkeiten und starke allergische Reaktionen entwickeln sich in kürzester Zeit. Wer unter schweren Allergien leidet, sollte sich ärztlich beraten lassen. Reaktionen an der Einstichstelle wie bei anderen Impfungen auch gehören dazu, ebenfalls eine unspezifische Reaktion mit Kopfschmerzen, leichtem Fieber und Unwohlsein. In seltenen Fällen gab es Lähmungen der Gesichtsmuskulatur, aber in einer Häufigkeit, die dem Auftreten in der gesunden Normalbevölkerung entspricht. Aber: dies kann, nichts muss. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen sind bereits geimpft und zeigten keine oder nur die bekannten, schwachen Impfreaktionen.
5. Kann ich dann noch Kinder kriegen? Ich habe gehört, dass die Impfung unfruchtbar macht.“
Es wurde verbreitet, dass die Vakzine einen Antikörper produziert, der neben dem Spike-Protein des Coronavirus ebenfalls an einem Protein namens Syncytin-1 andocken könnte, welches für die Ausbildung von Plazentargewebe wichtig ist. Das läge an einer Übereinstimmung in der Abfolge von Eiweißbausteinen in beiden Proteinen. Die Direktorin der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar, Marion Kiechle, schätzt die Behauptung als falsch ein. Sie sagt: "Meiner Einschätzung nach handelt es sich um eine falsche Behauptung, da es wissenschaftlich dafür keine Beweise oder gar den leisesten Hinweise gibt, dass die aktuell zugelassenen Impfstoffe die weibliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen."
In die Welt gesetzt wurde diese Behauptung, weil ein bekannter Corona-Skeptiker mutmaßte, die Impfung könne unfruchtbar machen. Das Gegenteil sei schließlich nicht bewiesen, meinte er.
Unfruchtbarkeit als mutmaßliche Nebenwirkung wurde bei vielen Impfungen genutzt, um Ängste zu verbreiten, nicht erst seit der Corona-Impfung.
Würden die Antikörper gegen Corona unfruchtbar machen, gäbe es zudem bei der hohen Zahl an Covid-Patientinnen massenhaft Aborte.
6. „Die wollen uns zwingen, uns impfen zu lassen.“
Nein. Die Diskussion wurde von Anfang an abgewunken. Niemand wird gezwungen. Ob es irgendwann wie bei der Masernimpfung eine Pflicht gibt, kann ich persönlich nicht absehen.
7. „Und woher soll ich wissen, ob sich dann an den Zahlen etwas verändert?“
Noch können wir das nicht wissen. Aber die Ergebnisse der Studien zeigen, dass die Impfung in > 90 Prozent der Fälle effektiv ist und insbesondere schwere Fälle und Todesfälle verhindert. Ob man dann noch infektiös ist, muss abgewartet werden. Ebenso, wie lange man immun ist. Aber warum sollte man nicht die Chance ergreifen, dass es besser wird?
Wir schmeißen uns Medikamente ein, die alle Nebenwirkungen haben, bloß um fitter, leistungsfähiger, potenter oder gesünder zu sein. Vitamine, Nahrungsergänzung, Kopfschmerztabletten und Potenzmittel versprechen uns eine Optimierung unserer Gesundheit.
Ebenso die Impfung, dessen Wirkung im Gegensatz zu vielen populären "Medikamenten" in Studien nachgewiesen wurde.
8. „Warum so ein Aufwand bei einer Krankheit, die in 80 Prozent der Fälle fast keine Symptome zeigt?“
Viele Fälle von Covid-19 sind asymptomatisch oder haben einen leichten Verlauf. Aber wenn Hunderttausende gleichzeitig erkranken, überlasten die schweren Fälle, die deutlich häufiger als bei einer Grippe auftauchen, die Krankenhäuser, so dass auch die reguläre Patientenversorgung leidet. Dann kann auch der Herzinfarkt nicht mehr angemessen behandelt werden.
Ferner sind Mitarbeiter aus allen Gesundheitsberufen aktuell am Limit, und ohne Pflegefachkräfte, ohne Ärzte und ohne Sanitäter wird unser Gesundheitswesen zusammenbrechen. Wir stehen kurz davor.
9. „Und warum lassen sich die Politiker nicht impfen, wenn die Impfung doch so sicher ist?“
Stellt Euch mal vor, die hochrangigen Politiker würden sich nicht an die Impfempfehlungen halten. Sofort würde es Vorwürfe regnen, sie nützen ihre hohe Stellung. In anderen Ländern wurden Regierungschefs und -vertreter bereits geimpft, was ich angesichts der Vorbildfunktion und ihres regen Menschenkontaktes in Ordnung finde. Wenn sie sich aber an die vorgegebene Reihenfolge halten, dann kann ich das verstehen.
10. "Würden Sie sich impfen lassen?"
Ja. Ich warte sehnsüchtig auf meinen Termin. Als Hausärztin bin ich aber noch nicht an der Reihe, was ich zwar nicht ganz verstehen kann, da wir ganz vorne an der Corona-Front kämpfen, aber da andere deutlich gefährdeter sind, warte ich meinen Termin ab. Ich hoffe allerdings, dass ich vor meinem Einsatz in den Impfzentren meine Impfung erhalte.
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Quellen:
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577
https://www.the-scientist.com/news-opinion/the-promise-of-mrna-vaccines-68202
https://www.br.de/nachrichten/wissen/faktenfuchs-kein-hinweis-dass-covid-impfung-unfruchtbar-macht,SJofxvV
Zum Weiterlesen empfehle ich den wunderbar recherchierten Artikel meines Kollegen Marc Hahnefeld:
https://marc-hanefeld.de/mrna-impfung_kritik/
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Bild: pixabay, geralt