Manchmal, wenn ich über einen Blogartikel und seine Überschrift nachdenke, kommen mir so Sätze aus der Vergangenheit in den Sinn. Dinge, die vor Äonen mal lustig waren, die aber jetzt keiner mehr kennt. So wie bei der Überschrift für diesen Artikel.
Da dachte ich zum Beispiel an einen Film aus den 90er Jahren, in dem ein komischer Typ sein Auto vermisst und sagt: „Ey man, wo ist mein Auto?“. Das hat zwar eigentlich überhaupt nichts mit dem Blutdruck zu tun, aber auch dieser macht ja zuweilen, was er will, so dass ein „Ey man, wo ist mein Blutdruck“ gar nicht so abwegig wäre.
Ich entschied mich dann aber wegen Unlustigkeit dagegen.
„Da krieg ich Blutdruck“ ist hingegen ein Satz, den jeder Mensch bestimmt schon einmal gesagt hat und an dem man sieht, wie präsent dieses Thema für uns ist.
Es vergeht auch in der Hausarztpraxis kein Tag, an dem nicht jemand mit erhöhtem Blutdruck in die Sprechstunde kommt. Entweder, weil der Blutdruck spinnt, oder weil jemand Symptome hat, die durch eine arterielle Hypertonie hervorgerufen werden, aber die Personen davon noch nichts wissen.
Symptome oder nicht, das ist hier die Frage
Denn ein erhöhter Blutdruck tut meist nicht weh und man kann praktisch jahrelang mit ihm leben, ohne ihn wirklich zu registrieren.
Und das kann wirklich fatal sein, denn knapp die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland (ich klammere an dieser Stelle die Corona-Pandemie mal aus) geht auf Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zurück. Herzinfarkte und Herzinsuffizienz, Schlaganfälle, Nierenerkrankungen, Gefäßverschlüsse und Störungen des Sehvermögens sind Folgen der arteriellen Hypertonie.
Manchmal macht sich der erhöhte Blutdruck aber auch deutlich bemerkbar und zeigt sich dann in Kopfschmerzen, Schwindelgefühlen, Unruhe und innerer Anspannung, Druckschmerzen im Bereich des Herzens, Schweißneigung, Nasenbluten oder Tinnitus. Bei Männern in den mittleren Lebensjahren kann sich der erhöhte Blutdruck zuweilen erst einmal nur in einer Störung der Potenz äußern, daher sollte eine Erektile Dysfunktion auch immer beim Hausarzt oder beim Internisten abgeklärt werden, denn sie ist häufig ein Indikator für eine zugrundeliegende generelle Gefäßproblematik, also auch am Herzen. (Eine Messlatte, quasi… Verzeihung.)
Die Hochdruckliga schätzt, dass 20-30 Mio. Menschen in Deutschland an einem erhöhten Blutdruck leiden, und mit steigendem Alter steigt auch der Blutdruck. Doch auch Jüngere sind immer häufiger betroffen, was durch Bewegungsmangel, Übergewicht und zunehmenden beruflichen Stress erklärt wird.
Ein paar Grundlagen
Wichtig für die Einteilung ist die Unterscheidung zwischen einer primären und einer sekundären arteriellen Hypertonie.
Die sekundäre Hypertonie ist die Folge einer anderen Erkrankung, beispielsweise einer Nierenarterienstenose und anderen Nierenerkrankungen, von Störungen im hormonellen System (Conn-Syndrom, Phäochromozytom) oder einer Schlaf-Apnoe.
Eine Schlaf-Apnoe kommt auch bei Patienten in der Hausarztpraxis häufig vor. Die Beseitigung dieser senkt den Blutdruck, weil die nächtliche Weckreaktion des Körpers als Reaktion auf den Sauerstoffmangel wegfällt.
Bei der sogenannten primären arteriellen Hypertonie sind die Ursachen noch nicht wirklich bekannt. Klar ist, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen, denn viele Hypertoniker kommen aus Familien, in denen alle Mitglieder unter der Krankheit leiden.
Hinzu kommen wohl Veränderungen im Gefäßsystem, die durch Stickstoffmonoxid ausgelöst werden, was aber für die Allgemeinmedizin in der Praxis momentan keine Rolle spielt.
Im Gegensatz zu falschen Lebensstilfaktoren, die wir als Hausärzte ständig sehen: Übergewicht, eine falsche Ernährung, Bewegungsmangel, zu salzhaltige Kost, Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum und Stress fördern die Entwicklung des Bluthochdrucks. Ein metabolisches Syndrom mit einer Insulinresistenz befeuert den Prozess zusätzlich.
Der optimale Blutdruck liegt bei 120/80 mmHg. Wenn wir diesen Blutdruck bei einem Patienten feststellen, sagen wir zufrieden: „Der Blutdruck ist optimal“, und alle sind glücklich.
Liegt er zwischen 130/80 und 139/89 mmHg sind wir immer noch einigermaßen zufrieden. Ab 140/90 mmHg ist der Blutdruck erhöht und ab 160/100 mmHg runzeln wir vielsagend die Stirn. Ab einem Blutdruck von 180/110 mmHg sprechen wir von stark erhöhtem Blutdruck, brummeln „Hmhmhm“ und sagen dann: „Der Wert ist 180 zu 110, das ist leider viel zu hoch.“
Die ESC, die europäische Gesellschaft für Kardiologe, definiert ab einem Wert von 140/90 mmHg einen Bluthochdruck Grad I. Die AHA, die American Heart Association, spricht bereits bei einem Blutdruck von 130/90 von einer Hypertonie Grad I und die WHO teilt den Bluthochdruck anhand der aufgetretenen Endorganschäden in verschiedene Grade ein. Wichtig ist aber auch zu wissen, dass in einer Langzeitmessung von 24 Stunden ein durchschnittlicher Wert von 130/90 mmHg bereits als Hypertonie bezeichnet werden.
Was ist was und was ist ein Notfall?
Um diesen Zahlensalat zu verstehen, muss man wissen, wie sich die Werte zusammensetzen.
Den oberen Blutdruckwert nennt man die Systole und er entspricht dem Druck, der in der Auswurfphase des Herzens gemessen wird, optimalerweise 120 mmHg.
Der untere Wert, die Diastole, ist der Druck, der am Ende des Herzschlags noch im Gefäßsystem gemessen werden kann. Also der Druck, der im System verbleibt.
Man kann sich das vorstellen wie ein Schlauchsystem, bei dem mit Schmackes kurz das Wasser angestellt wird. Dieser Druck beim Aufdrehen des Wasserhahns ist der systolische Druck. Schließt man den Wasserhahn wieder, befindet sich dennoch Wasser im Schlauch, aber mit weniger Druck. Das ist die Diastole.
Wird der Schlauch an einer Stelle abgeklemmt, erhöht sich der Druck. Befindet sich lauter Schnodder in der Innenwand und verengt das Lumen, erhöht sich der Druck ebenfalls, weil der Schlauch nicht mehr elastisch ist.
Ist der diastolische Druck deutlich erhöht, spricht das für ein länger bestehendes Problem, das seine Spuren bereits hinterlassen hat, denn der Herzmuskel ist dann häufig bereits verdickt (durch die ständige Druckbelastung) und kann sich nicht mehr gut entspannen.
Außerdem bestimmen die Elastizität der Gefäße, die Lebenssituation, Hormone, Stress und auch wir Weißkittel die Höhe des Blutdrucks. Alleine die Anwesenheit eines Arztes kann den Blutdruck um bis zu 22 mmHg erhöhen, was an mehreren Faktoren liegt: Nervosität im Sprechzimmer, das Sprechen an sich, die Körperposition, Urindrang oder Frieren.
Daher sollte der Blutdruck stets auch zuhause und in einer Langzeitblutdruckmessung evaluiert werden, um den Weißkitteleffekt auszugleichen.
Die Einheit mmHg bedeutet Millimeter Quecksilbersäule und kommt noch aus den Zeiten, als der Druck mit einer Quecksilbersäule gemessen wurde. 1 mmHg nennt man auch ein Torr, aber das sagt hierzulande niemand. Und ein Torr entspricht 0,00133 Bar. Soviel zu Fakten, die aber eigentlich nicht relevant sind, außer man möchte mit unnützem Wissen angeben.
Von einem Notfall spricht man, wenn der Blutdruck lebensbedrohliche Folgeerscheinungen mit sich bringt: Lähmungen, Gefühlsstörungen, Atemnot, starker Druck auf der Brust, Einblutungen der Augen, massiver Schwindel. Die absolute Höhe ist dann nicht zwangsläufig entscheidend für die weitere Behandlung, beispielsweise eine Klinikeinweisung, sondern die klinische Symptomatik.
Generell lässt sich aber sagen, dass Werte über 180/120 mmHg eine Hypertensive Krise, und Werte ab 210/120 mmHg ein Hypertensiver Notfall sind.
Aber nicht nur der Notfall, sondern auch der symptomlose hohe Blutdruck bringt viele Probleme mit sich. Das Risiko für spätere Gefäßerkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt, für Nierenschäden und Sehstörungen ist deutlich erhöht. Die Arterielle Hypertonie ist einer der vier großen Risikofaktoren für diese Spätfolgen, zu denen auch das Rauchen, der Diabetes mellitus und erhöhte Cholesterinwerte zählen.
Therapie
Ein Bluthochdruck muss daher therapiert werden. Sekundäre Formen werden im Rahmen ihrer Grunderkrankung behandelt.
Die primäre Form, also der idiopathische hohe Blutdruck, benötigt in der Behandlung oft einen langen Atem, weil die Patienten mitarbeiten müssen und manchmal auch ihr Leben lang auf Medikamente angewiesen sind.
Lebensstiländerungen stehen häufig im Vordergrund und umfassen eine Gewichtsreduktion, Änderung der Ernährungsgewohnheiten, Salzreduktion, Rauchstopp und Stressreduktion. Da Bluthochdruck auch zu den psychosomatischen Krankheiten gehört, kann auch eine Verhaltenstherapie oder ein Jobwechsel positive Effekte nach sich ziehen.
Alleine eine Gewichtsreduktion kann den Blutdruck um 5-20 mmHg pro 10 Kilogramm Gewichtsverlust senken. Regelmäßige körperliche Bewegung (mehrmals pro Woche 30 Minuten) senken den Blutdruck um bis zu 9 mmHg und eine Reduktion von Kochsalz auf 6 g am Tag nochmal um etwa 8 mmHg. In der Summe kann also alleine durch Änderungen der Gewohnheiten eine deutliche Verbesserung des Blutdrucks erreicht werden.
Aus der Praxis: Eine meiner Patientinnen hat alleine durch den Verlust von 15 Kilogramm Körpergewicht ihren Blutdruck auf normale Werte senken können, so dass die Medikamente, die sie zeitweise nahm, abgesetzt werden konnten.
Eine andere Patientin, jung und beruflich erfolgreich, litt unter Werten bis 200 mmHg. Nach Jobwechsel befanden sich die Werte im Normbereich und ihr ging es wieder gut.
Andere Risikofaktoren für Gefäßschäden, beispielsweise ein Diabetes mellitus, müssen streng eingestellt werden, außerdem muss der Blutdruck bei Diabetikern niedriger sein, als bei Nicht-Diabetikern. Bei sehr hochbetagten Patienten hingehen darf der Blutdruck gerne höher sein, weil ein zu niedriger Blutdruck mit einer erhöhten Sturzneigung und Minderdurchblutungen einhergeht.
Bei sehr niedrigem kardiovaskulärem Risiko kann zunächst abgewartet und der Zustand beobachtet werden, unter den o.g. Veränderungen des Lebensstils. Tritt keine Besserung ein oder liegt per Definition eine arterielle Hypertonie vor, sollten Medikamente eingesetzt werden.
Prinzipiell wird empfohlen, mit einer niedrig dosierten Zweierkombinationen zu starten, die dann sukzessive erhöht und erweitert werden kann.
Auf die Fülle an verschiedenen Medikamenten kann ich hier leider nicht eingehen, das sollte dann in einem Gespräch mit dem Hausarzt gemeinsam beschlossen werden.
Wichtig ist mir an dieser Stelle, dass man eine Hypertonie nicht auf die leichte Schulter nimmt, denn sie kann schwere Folgen haben. Aber selbst kann man sehr viel tun, um diese Folgen zu verhindern.
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Quellen, alle abgerufen am 06.02.2021
https://de.wikipedia.org/wiki/Arterielle_Hypertonie
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-024k_S3_Hausaerztliche_Risikoberat_kardiovask_Praevention_2017-11.pdf
https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/bluthochdruck/was-ist-bluthochdruck.html
https://academic.oup.com/eurheartj/article/39/33/3021/5079119
https://www.amboss.com/de/wissen/Arterielle_Hypertonie
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