In eigener Sache: warum ich leise Töne bevorzuge

Das Internet ist laut. Und es wurde immer lauter in den letzten Jahren, immer extremer. Wer keine radikale Ansichten vertritt, wird nicht gehört. So ist mein Eindruck. 

 

Das betrifft viele Themen, seien es gesellschaftliche, politische oder medizinische. Die Coronapandemie hat den Trend meines Erachtens verstärkt. 

 

Wer sich beispielsweise für die AHAL-Regeln einsetzt, wird als Coronanazi beschimpft, von wegen Einschränkungen der Freiheit und so weiter. Wer für das Impfen ist und dafür einsteht, ist in den Kommentarspalten gerne mal ein Propagandist oder Mitläufer oder Mengele-Unterstützer. Ich erinnere mich an diverse Beschimpfungen. Hach, da werde ich gleich nostalgisch...

 

Umgekehrt wird aus jedem skeptischen Menschen schnell der Covidiot, Querdenker oder Aluhut gemacht, was so natürlich auch nicht richtig ist. Wobei ich die Mär vom "aufgeklärten Bürger" in einer Demonstration gegen Coronaregeln, der einfach nur skeptisch ist, auch nicht annehme. Aufgeklärte Bürger laufen nicht in eine Reihe mit rechten Gruppierungen, aber das nur nebenbei. 

 

Weil es viele Menschen gibt, die einfach laut drauflos brüllen, gehen die Menschen mit den leisen Tönen gehen unter. Die Erfahrung mache ich auch gerade. Leider scheint sich mein Buch nicht so gut zu verkaufen, wie ich das gehofft hatte. Und ich denke, es liegt daran, dass ich nicht genug die Werbetrommel rühre. Denn die Bewertungen sind gut und ich bekomme viel positives Feedback. Aber ich bin einfach nicht die Person, die sich anderen permanent aufdrängen muss, Hashtags vor ihren Namen setzt und sie für die Krone der Schöpfung hält.

 

Vielleicht bin ich zu leise.

 

Und dann überlege ich mir wieder: möchte ich so sein? Möchte ich immer nur extreme Standpunkte vertreten? Möchte ich mich jedem aufdrängen? Oder alles tun, damit mein Gesicht auf Teufel komm raus in allen Fernsehsendungen ist?

 

So bin ich einfach nicht. Ich habe etwas zu sagen und ich vertrete meine Meinung gerne und öffentlich. Aber wenn mich jemand nicht lesen möchte, dann ist es in Ordnung. Es muss nicht jeder meiner Meinung sein und ich gehe auch nicht davon aus, dass das Leben ohne mich nicht weitergeht. Jeder ist (z)ersetzbar, und wenn man nicht jeden Tag mehrere Tweets, Blog Beiträge, Fotos oder Memes absetzt und das ganze liebevoll bis aufdrängend mit Hashtags, Verlinkungen und Emojis dekoriert, gerät man in dieser schnelllebigen Internetwelt eben auch mal in Vergessenheit.

 

Aber man hat ja auch noch ein anderes Leben. Ich bin von Herzen gerne Ärztin, das würde ich nicht dafür aufgeben. Noch viel wichtiger sind mir meine Kinder, und ich möchte nicht dauerhaft mit dem Handy in der Hand vor meinen Kindern rumtanzen. Zudem habe ich in letzter Zeit wirklich richtig viel gearbeitet und muss auch ein bisschen kürzertreten.

 

Das alles mache ich alleine, denn meine Jungs und ich wohnen nur zu dritt zusammen und ich kann mich nicht darauf verlassen, dass mich jemand täglich und dauerhaft unterstützt.

 

Aber auch die leisen Töne kommen an. So wie es aussieht, schreibe ich bald ein neues Buch. Ich habe Schreibaufträge, ich liebe meine Arbeit in der Praxis. Und noch viel mehr liebe ich die Zeit mit meinen Kindern.

 

Vielleicht muss ich ein bisschen extrovertierter werden und aggressive Werbung machen oder meinen Namen mit einem Hashtag versehen.

 

Mal #koocken. 

 

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Bild: pixabay, graphic mama-team