Let's talk about... Mundgeruch

Let's talk about Mundgeruch, Baby! Wetten, Ihr alle habt jetzt die Melodie im Ohr... Nur dass dieses Thema natürlich nicht ganz so nett ist, als würden wir über Sex reden. 

Aber welche Themen in letzter Zeit waren schon sexy. In den letzten Wochen habe ich mich schließlich trotz aller guter Vorsätze quasi dauerhaft mit den Themen Corona und Impfungen auseinandergesetzt. Eigentlich wollte ich davon ein bisschen Abstand nehmen, weil ist doch ganz schön anstrengend ist auf Dauer. Aber ich bin doch zu sehr in der Materie drin, um abzuschalten. Die dauerhafte Begegnung mit SARS-CoV2 sowohl im Berufsleben als auch in den sozialen Medien sowie das Impfen in Praxis und im Zentrum ist einfach zu präsent. Nun gehen die Zahlen (zumindest vorübergehend) zurück und ich kann mich wieder mit den alltäglichen Problemen als Landärztin beschäftigen, die manchmal so seicht erscheinen, aber dennoch so viele Menschen betreffen und belasten. 

 

Deswegen geht es heute um Mundgeruch, in Fachsprache Halitosis genannt. Und ich bin sicher, dass jeder mit diesem Thema schon einmal konfrontiert wurde und Mundgeruch an sich irgendwann einmal wahrgenommen hat. Allein der morgendlichen Mief (morning bad breath) bevor wir uns die Zähne putzen, ist uns allen bekannt und lässt uns schnell in Richtung Zahnbürste rennen, bevor man seine Lieben begrüßt. 

 

So ging es auch einer Patientin von mir. Sie litt sehr unter ihrem Atem, aber bei ihr war es mit dem Zähneputzen nicht getan.

„Ich habe ganz schlimmen Mundgeruch“, sagte sie. „Das ist mir so peinlich und sogar mein Mann mag mich nicht mehr küssen.“

„Meinen Sie den Geruch am Morgen?“, hake ich nach.

„Nein, immer. Morgens, mittags, abends. Auch nach dem Zähneputzen. Überhaupt, ich putze am Tag inzwischen fünfmal die Zähne, aber der Geruch will nicht weggehen.“

Tatsächlich nahm ich beim Sprechen einen moderigen Geruch war. Bevor es zur Corona-Pandemie kam und man „damals“ keine Maske trug, hat man Gerüche natürlich stärker wahrgenommen. Und manche Formen von Mundgeruch werden auch über eine normale Entfernung erschnüffelt. 

 

„Haben Sie denn sonst noch Symptome?“, frage ich sie, denn Mundgeruch kann  neben den Bakterienansammlungen im Mundbereich auch verschiedene, organische Ursachen haben. Angefangen von Sodbrennen, über Mandelsteine, Schleimhautveränderungen im Mundbereich oder chronische Entzündungen im Nasen – Rachenraum. Letztlich gibt der Atem auch Hinweise auf einen entgleisten Blutzuckerspiegel, Leber- oder Nierenerkrankungen.

 

Meine Patientin schüttelte den Kopf, als ich nach weiteren Symptomen fragte. Ich spezifiziert also: „Sodbrennen? Zahnschmerzen?“ 

„Nein. Nichts.“

„Lassen Sie mich mal bitte in den Hals schauen.“

Sie öffnete den Mund und ich schaute mir die Zähne an. Sie hatte einige Füllungen in den Zähnen, das Zahnfleisch war an an einigen Stellen zurückgegangen und die Zahnhälse schauten hervor. Wunden gab es keine. Auf den Mandeln fand ich außerdem kleine, weiße Pünktchen auf ansonsten vollkommen unauffälligen Tonsillen. Mandelsteine.

 

„Haben Sie manchmal so kleine gelbe Brocken im Mund?“, fragte ich sie und sie nickte. 

„Die kommen aus meinen Mandeln. Ich quetsche mir die sogar mit dem Ende der Zahnbürste raus. Die schmecken ganz schön eklig.“

 

Und sie verursachten unangenehmen Geruch. Mandelsteine sind angesammelte Reste von Gewebe, Speisen, Entzündungszellen und Bakterien. Normalerweise arbeiten sich die übel rieichenden Klümpchen von alleine an die Oberfläche, fallen irgendwann heraus und werden verschluckt. Patienten, die dieses Steine (natürlich sind es keine echten Steine) von sich kennen, drücken sich regelrecht die Mandeln aus, damit diese störenden Tonsillolithen verschwinden. Wer sehr davon belastet ist, sollte mit seinem HNO- Arzt über Behandlungsoptionen sprechen. 

 

Aber woher kommt der schlechte Geruch?

 

In den meisten Fällen ist Mundgeruch ein Problem im Bereich der Zähne und der Zunge: Paradontitis, schlechte Zähne, mangelnde Mundhygiene (auch bei Zahnersatz) und Bakterien im Bereich des Zungengrundes und die Zunge bilden gemeinsam mit Essensresten einen wunderbaren Nährboden für Bakterien, die schließlich spezielle Eiweiße aus der Nahrung zersetzen und dadurch Schwelfelverbindungen (volatile sulphur compounds) entstehen lassen. Und die müffeln eben. Wer schon einmal ein vergammelte Ei gerochen hat (oder an einem Vulkan gestanden hat), der weiß das. 

 

Manche Nahrungsmittel, Rauchen und Alkohol verstärken die üblen Gerüche. Hinzukommt nachts eine verminderte Speichelproduktion, so dass die Bakterien kaum noch durch den Speichel weggespült werden und ungehindert wachsen können. Das ist auch im Alter oder beim sog. Sjögren-Syndrom die Ursache für Mundgeruch, weil der Mundraum zu trocken wird. 

 

In jungen Jahren ist häufig eine schlechte Mundhygiene schuld, wenn es riecht. So wie bei einem jungen Patienten, der vor einigen Monaten in meinem Sprechzimmer aufgrund von Halsschmerzen seinen Mundschutz abnehmen und ich den Rachen inspizieren musste. Es schlug mir nach dem Abnehmen der OP-Maske eine Welle eines wirklich unangenehmen Geruches entgegen, ich sah gelbliche, schmierig belegte Zähne und es roch ganz intensiv nach „morning bad breath“. Es wäre nett gewesen, sich vor dem Arztbesuch die Zähne zu putzen, aber hygienische Maßnahmen empfinden manche Menschen einer Ärztin oder einem Arzt gegenüber als unnötig. 

 

Natürlich können auch Rachenentzündungen einen Mundgeruch verursachen, aber dieser riecht vollkommen anders, glaubt mir. Dieser riecht süßlich-eitrig, das kennt ihr  bestimmt auch von Mandelentzündungen bei euch selbst. 

 

In etwa 80 Prozent der Fälle ist der Besuch beim Zahnarzt zielführend und er der erste Ansprechpartner. 

 

Wenn für die Halitosis keine Ursache im Mundraum gefunden wird, dann sollte nach extraoralen Gründen gesucht werden. Krebserkrankungen im Mund- und Rachenbereich (selten!), chronische Entzündungen im Nasen-Rachen-Raum und Sodbrennen (auch eher selten) kommen ebenso vor, wie ein unbehandelter Diabetes mellitus oder Leber- und Nierenerkrankungen. 

Der entgleiste Blutzucker zum Beispiel reicht nach Nagellack, manch schwere Nierenerkrankung nach urin. Ein Leberkoma riecht angeblich nach frischer Leber, das habe ich aber noch nicht wahrnehmen können, weil ich während meiner klinischen Laufbahn nicht sehr viele Patienten im Leberkoma sah.

 

Und wie geht es weiter?

 

Wenn man bei sich selbst schlechte Gerüche wahrnimmt, sollte man zuerst zum Zahnarzt gehen. Erst, wenn dieser keine Ursache finden kann, müssen die anderen Gründe gesucht werden. Da es auch eine Pseudohalitosis gibt, bei der Patienten nur annehmen, besonders schlecht aus dem Mund zu riechen, haben sich schlaue Menschen Geräte ausgedacht, mit denen man die Menge an Schwefelverbindungen in der Atemluft objektivierbaren kann. Etwa zwanzig Prozent der angeblichen Mundgerüche werden lediglich von den Betroffenen Personen als störend empfunden.

 

Um Mundgeruch zu beseitigen, müssen die Auslöser, also beispielsweise eine Parodontitis, beseitigt werden. Mundspüllösungen, eine gute Mundhygiene, Zungenschaber und im Extremfall eine „full mouth desinfection“ helfen dabei. 

 

Meine Patientin schickte ich zum HNO-Arzt, wies sie aber darauf hin, dass sie ihre Zahnärztin aufsuchen solle. 

 

Damit sie demnächst wieder sagen kann: Let's talk about Sex, Baby... 

 

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Bild: RitaE, Pixabay

Quellen, alle abgerufen am 22.6.21

https://www.zwp-online.info/fachgebiete/prophylaxe/therapie/halitosis-ein-update-fuer-den-generalisten

https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/zahn-,-mund-,-kieferkrankheiten/symptome-der-dentalen-und-oralen-erkrankungen/halitosis

https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-024l_S2k_Tonsillitis_Gaumenmandeln_2015-08-abgelaufen.pdf