Heute morgen war es so weit. Nachdem ich an meinem freien Tag meinen Sohn zur Schule gebracht hatte, lief ich über die schönen, morgendlichen Felder nach Hause und dachte nach. Der Nebel stand noch über den Wiesen und es war schon winterlich kalt, die Pferde an der benachbarten Koppel waren schon draußen und hoben kurz ihren Kopf, als ich an ihnen vorbei lief.
Für einen kurzen Moment war der gesamte Corona-Mist weit weg. Hier draußen auf dem Feld gab es dieses Virus nicht. Die laute, krawallvolle Welt, die vielen hetzerischen Stimmen, die klagende Laute von Krankheit und Leid.
Heute morgen war es also soweit: ich entschied innerhalb von wenigen Minuten, dass ich meine Twitter-Account deaktiviere, dass ich meine „Aufklärung“ zumindest pausiere. Wie lange, das weiß ich noch nicht. Im Sommer hatte ich schon einmal eine längere Pause gemacht und es hat mir gut getan.
Kurzer Hoffnung ...
Kurzfristig hatte man ja im Sommer das Gefühl, dass die unruhigen Zeiten endlich ein Ende haben. Dass die Vernunft stärker ist als die Stimme der Querdenker, die Impfkampagne greift und wir das Virus besiegen können. Zeitweise dachte ich sogar, wir säßen an Weihnachten besinnlich mit unseren Familien bei Glühwein und Kinderpunsch beisammen und freuen uns alle über die Rückkehr des sozialen Lebens und der Leichtigkeit.
Als dann im September die Wahlen waren, hatte man ja sogar auf einen Aufschwung, ja, an ein besseres, pandemiefreies Deutschland gehofft! Heureka! Lasst uns die Zeiten der langen Entscheidungen, der fraglichen Maskendeals, der fehlenden Wertschätzung für alle Medizinberufler und des Lavendeldufts hinter uns lassen und gestärkt mit frischem Wind in eine neue Legislaturperiode starten!
... folgt die Resignation
Wie konnte ich nur so naiv sein.
Wenn ich mir inzwischen diese desaströse Ampel-Politik ansehe, die sich viel zu sehr nach einer kleinen, gelben, fraglich den Querdenkern zugeneigten Partei orientiert, dann frage ich mich: Muss ich mich bei meinen Kindern entschuldigen, weil ich sie durch meine grüne Wahl diesem Elend ausgesetzt habe? Die neue Regierung fühlt sich noch nicht vollständig zuständig, die alte Regierung ist nur noch geschäftsführend im Amt und Herr Spahn hinterlässt mit einem fröhlichen "HAHA" seine krakelige Handschrift.
Kinder werden durchseucht und die Impftermine der Niedergelassenen durch Herrn Spahn torpediert, weil ihm ach so plötzlich einfällt, dass die Biontech-Lager leer laufen. Aha. Das kam wahrscheinlich so plötzlich wie Weihnachten in diesem Jahr.
JETZT beginnt man, über die Impfpflicht zu diskutieren. Reichlich spät, wie ich finde. Bereits im September habe ich für eine allgemeine Impfpflicht plädiert, hatte aber auch nicht wirklich erwartet, dass meine Stimme gehört wird. Ich habe (hatte) zwar einen großen Twitter-Account, aber am Ende bin ich eben eine Hausärztin, keine Virologin.
Damit lebe ich gut, ich liebe meine Arbeit und behaupte, eine gute Ärztin zu sein.
Aber … wieso hörte man nicht wenigsten bereits im Spätsommer auf all die Wissenschaftler, die genau dieses Szenario vorhersagten?
Ich war lange nicht so resigniert, wie ich es jetzt bin. All die Arbeit in den letzten 21 Monaten erscheint mir beinahe sinnlos, all die Aufklärung, all die Artikel und die tausenden Impfungen, die ich verabreicht habe.
Wie muss sich einer der großen, bedeutungsvollen Wissenschaftler*innen fühlen, nachdem sie immer und immer wieder übergangen wurden, wir nun mit überfüllten Intensivstationen konfrontiert werden und Politiker kakophonieren: „Das hat ja niemand vorhersehen können!“
Doch. Wir alle wusste es. Alles, was jetzt passiert, haben wir kommen sehen und es wurde zumindest sehenden Auges angenommen und akzeptiert.
Ich werde nun in den nächsten Wochen meine Arbeit als Hausärztin machen und meine Patient*innen impfen, weiter aufklären, beraten und beistehen. Im Kleinen.
Und ich werde weiter bloggen, meine Klappe halten kann ich sowieso nicht. Wer mich lesen möchte (Danke dafür!), der möge bitte einfach ab und an auf meiner Seite hier vorbei schauen.
Die Welt kann ich nicht retten, aber ich hätte gerne einen Teil dazu beigetragen.