Gerade kam ich vom Joggen. Und es lief heute nicht so gut. Falsche Schuhe, falscher BH, zehn Stunden gearbeitet, zu wenig gegessen, zu wenig Eisen zu mir genommen. Ich sollte ein paar Nägel knuspern. Oder einen Lappen Fleisch, aber danach ist mir gerade nicht. Also esse ich meinen geliebten Handkäs mit Musigg (Harzer Roller Käse, eingelegt in Essig-Öl-Zwiebel), der hat zwar kein Eisen, aber das pfeife ich mir später als Tablette rein.
Ich musste nämlich trotz meiner ärztlichen Tätigkeit relativ alt werden, um festzustellen, dass ich eigentlich dauerhaft einen latenten, also leicht vorhandenen, Eisenmangel hatte. Wie auch ca. 20 Prozent aller Frauen in Europa im gebärfähigen Alter.
Gerade unter älteren Hausärzten galt und gilt: So lange keine Blutarmut vorhanden ist, kann kein Eisenmangel vorliegen. Wenn dann auch noch das Serum-Eisen normwertig ist, galt die Verdachtsdiagnose Eisenmangel als widerlegt. Aber so leicht ist das eben nicht.
Dabei sagen weder der Hämoglobinwert alleine noch das Serum-Eisen etwas über unseren Eisenstatus aus.
Tauchen wir ein wenig ab in die Welt des Eisens
Eisen ist ein Element, chemisch ein Metall. Yeah, wieder was gelernt! Und darüber hinaus ist es ein Spurenelement, das unser Körper braucht und nicht selbst herstellen kann. Eigentlich ist auch Begriff „Eisenstoffwechsel“ irreführend, denn Eisen wird nicht verstoffwechselt, sondern ist an verschiedene Proteine und Enzyme gebunden und wird auch nur in sehr geringem Maße ausgeschieden. Unser Organismus kann den Eisenhaushalt nicht über eine vermehrte Exkretion regeln, sondern muss mit den vorhandenen Reserven klarkommen.
Ist zu wenig Eisen vorhanden, wird die Resorption im Darm, die normalerweise ca. 10% beträgt, auf bis zu 20% gesteigert. Das war’s dann aber auch mit der Aufnahme und wenn nichts da ist, resultieren verschiedenen Störungen, insbesondere die Blutarmut (Anämie). Ist zu viel Eisen im Körper, kann eine Überladung mit schweren gesundheitlichen Schäden die Folge sein. Ihr seht also: Der Körper hat so seine Last, den Eisen- und damit Energiehaushalt zu regulieren.
Insgesamt sind in unserem Organismus etwa 3-4 g Eisen vorhanden, das vor allem als Komplex im Hämoglobin gebunden ist. Zu einem größeren Anteil liegt es auch in Myoglobin, Cytochrom und an Transportproteine gebunden vor sowie als Depot-Eisen im Ferritin. Eisen ist essentiell für den Energiehaushalt, für den Sauerstofftransport und für die Funktion verschiedener Enzyme, bei denen Elektronen übertragen werden sollen. Um eine normale Körperfunktion aufrecht zu erhalten, benötigt der menschliche Körper pro Tag etwa 10-15mg Eisen, in der Schwangerschaft sind es mit 30mg deutlich mehr.
Einen Ausscheidungsmechanismus für Eisen gibt es nicht, aber ca. 1mg gehen pro Tag über Schweiß, ausgefallene Haare und Abschilferung von Haut sowie Darmschleimhautzellen verloren. Wenn Erythrozyten (rote Blutkörperchen) abgebaut werden, übernehmen Gewebsmakrophagen das freigewordene Eisen, transportieren es zur Milz und speichern es. Eine Milz stinkt übrigens ganz grauenhaft nach Metall, diese Erfahrung habe ich vor vielen Jahren bei meiner ersten Stelle in der Pathologie gemacht. Aber das nur am Rande.
Dass Eisen so einem aufwendigen Recyclingprozess unterliegt, heißt im Umkehrschluss aber auch: Wer einen Mangel hat, der verliert entweder Eisen über einen Blutverlust oder er nimmt zu wenig auf.
Ein Fallbeispiel
„Mir tut alles weh“, sagt die Patientin in den mittleren Lebensjahren. Sie sitzt in der Tat wie ein Häufchen Elend vor mir. Müde sieht sie aus, blass, dunkle Augenringe liegen wie Schatten in ihrem Gesicht.
Vielleicht ein Infekt, denke ich so bei mir. Das kommt trotz der warmen Jahreszeit immer noch häufig vor und gerade aktuell sind viele Virusinfekte, die mit Kopf- und Gliederschmerzen einhergehen, im Umlauf.
Hellhörig werde ich, als sie sagt: „Vor allem meine Beine. Ich komme kaum in die erste Etage im Haus, die sind wie Pudding.“
„Haben Sie auch das Gefühl, Luftnot zu haben?“, frage ich nach.
„Ja, früher war ich so sportlich, jetzt kann ich keine Belastung mehr aushalten. Und mein Herz stolpert so komisch.“
„Wie sieht es aus mit Haarausfall?“
„Jaaaa!“ Verzweifelt greift sie sich in die Haare. „Da ist fast nichts mehr da! Und meine Haut ist so trocken…Vielleicht ist es ja die Schilddrüse!“
Ich sinniere vor mich hin und studiere ihre Kartei. „Oder das Eisen. Ihre Schilddrüsenwerte waren zuletzt vollkommen normal!“
Sie zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, meine Blutwerte waren doch auch normal.“
„Das heißt nicht immer was. Zum Einen war Ihr Hämoglobinwert zuletzt mit 11,9 g/dl nur noch knapp normal, zum anderen sagt uns eher der Eisenspeicherwert Ferritin etwas über das vorhandene Eisen aus. Möglicherweise ist der Hb-Wert ja auch gesunken. Wir kontrollieren das mal.“
Sie nickt und ich schicke sie zum Blutabnehmen.
Am nächsten Tag liegt das Ergebnis vor: Ihr Hämoglobin ist deutlich auf einen Wert von 8,5 g/dl abgefallen, die roten Blutkörperchen (Erthrozyten) sind zu klein und zu leicht, damit hat sie eine mikrozytäre und hypochrome Anämie. Der Ferritinwert liegt bei 12,2ng/ml. Der Speicher ist ziemlich leer und das Knochenmark kann kein Hb nachbauen - die Anämie ist die Folge.
Ursachenforschung - Wo ist das Eisen hin?
Nun heißt es, die Ursache für den Eisenmangel finden. Bei ihr kommen wir der Sache recht schnell auf den Grund: meine Patientin befindet sich in der Perimenopause, also in den Wechseljahren, und leidet seit Monaten und starken und unregelmäßigen Blutungen.
Da bei einem Blutverlust pro 2 Milliliter Blut 1mg Eisen verloren gehen und der durchschnittliche Blutverlust bei der Menstruation 30-60ml beträgt, gehen also 15-30mg Eisen verloren. Bei einer starken Monatsblutung (Hypermenorrhoe) können bis zu 800ml Blut ausgeschieden werden, das ist mehr als die Menge einer Blutspende pro Monat!
Die Stärke einer Blutung kann man anhand der benötigten Menge an Tampons oder Vorlagen abschätzen. Müssen alle zwei Stunden die stark saugfähigen Hygieneartikel gewechselt werden, kann man von einer Hypermenorrhoe ausgehen.
Weitere Ursachen für einen Blutverlust sind Blutungen im Magen-Darm-Trakt, beispielsweise bei einer Gastritis, verstärkt durch die Einnahme von (umgangssprachlich) Blutverdünnern, aber auch starkes Nasenbluten kann Hb-relevant sein, wenn es regelmäßig vorkommt. Meistens sind es aber gastrointestinale Blutverluste, die zum Beispiel auch bei Gefäßfehlbildungen (Angiodysplasien), Polypen oder Tumoren vorkommen können.
Nicht zuletzt leiden Hochleistungssportler unter leichten Schleimhautblutungen, die nicht registriert werden. Gerade Sportlerinnen sind häufig von Eisenmangel betroffen, da sie zum einen die Monatsblutung haben (falls sie nicht zu exzessiv trainieren, dann kommt es auch oft zur Amenorrhoe), oft für gute Trainingsergebnisse zu schlank sein wollen (schnelleres Rennen durch weniger Gewicht), zu wenig essen und wie eben erwähnt etwas Blut über die Schleimhäute verlieren.
Ein weiterer Grund für einen Eisenmangel kann die verminderte Aufnahme von Eisen sein, vor allem bei vegetarisch oder vegan lebenden Menschen. Auch wenn es viele nicht hören wollen, aber Eisen aus Fleisch wird nun einmal besser aufgenommen als Pflanzeneisen, denn das Eisen, das an Häm im Fleisch gebunden ist, besitzt einen eigenen Transporter in den Enterozyten (Darmzellen). Außerdem liegt Pflanzeneisen in dreiwertiger Form vor (Fe3+) und muss erst zu zweiwertigem Eisen reduziert werden, damit es über den Metallionentransporter DMT1 in die Darmzelle transportiert wird. Zusätzlich gibt es einen Weg, bei dem auch Fe3+ resorbiert wird, ohne vorherige Reduktion, dies aber wohl in geringerem Maße.
Das Eisen im Nahrungsbrei wird dank Magensäure besser verfügbar gemacht.
Nun heißt das aber nicht, dass Vegetarier alle Fleisch essen sollen, denn wie eben erwähnt, wäre da der Transporter, der auch dreiwertiges Eisen aufnimmt und zusätzlich kann Eisen aus Sojabohnen gut verwertet werden.
Von Tabletten und Pupsen
Aber zurück zu meiner Patientin: Ich habe sie zur Magen- und Darmspiegelung überwiesen, um keine (noch) ernstere Ursache des Eisenmangels zu übersehen. Wie sich herausstellte, waren die Ergebnisse gut und sie konnte aufatmen. Verschrieben habe ich ihr schließlich ein Eisenpräparat zum Einnehmen, denn bei einem Eisenmangel ist die Resorptionsrate im Darm deutlich gesteigert und beträgt etwa 20%. Dann kann man sich die Infusionen eigentlich ersparen, denn zum einen ist jede Infusion auch ein invasiver Eingriff, wenn auch ein kleiner. Zum anderen sind die Substanzen potentiell allergen, wenn auch die die neueren Präparate weniger bis kaum noch allergische Reaktionen auslösen, und zu guter letzt sind sie auch teuer.
Die Tabletten sind ein wenig in Verruf geraten, weil sie Bauchschmerzen, Verstopfung und Blähungen auslösen können.
Mit ein paar Tricks, wird die Gabe verträglicher:
Schleicht die Tabletten ein wenig ein. Die übliche Tagesdosis sind 100mg pro Tag, aber zu Beginn könnt Ihr mit 50mg jeden zweiten Tag loslegen. Wie ein Dozent bei einer Fortbildung sagte: „Die Darmbakterien sind das Problem, die müssen sich an das Eisen gewöhnen.“
Um eine gute Resorption zu gewährleisten, sollte man Eisentabletten nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück einnehmen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten: Daran habe ich den ganzen Tag „Freude“. Daher nehme ich die Tabletten abends, zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit kurz vor dem Schlafengehen, ein. Das klappt wunderbar.
Dann könnt ihr die Dosis langsam steigern, bis ihr bei 100mg pro Tag angekommen seit. Und manchmal muss man auch einfach das Präparat wechseln. Tabletten, die im Dünndarm aufgenommen werden, sind wirksamer. Außerdem sollte das Eisen in zweiwertiger Form vorliegen, also als Fe2+. Um die Aufnahme zu steigern, ist etwas Vitamin C hilfreich und vor allem sollte man die Tabletten nicht mit Koffein oder Schwarztee einnehmen. Sonst kann man es auch sein lassen, die Tablette gleich im Klo runterspülen.
Nach etwa sechs Wochen kann eine Kontrolle der Laborwerte erfolgen. Als erstes steigt das Hämoglobin wieder an, weil der Körper das Eisen zuerst in die wichtigste Komponente packt: ins Blut.
Der Eisenspeicherwert, das wallende Haar und die glänzende Haut sind später an der Reihe.
Ferritin - zu wenig beachtet
An dieser Stelle noch ein Wort zum Ferritin: die gängigen Referenzwerte für Frauen könnt ihr getrost in die Tonne treten. Eine Frau mit einem Ferritinwert von 20ng/ml hat einen Eisenmangel, auch wenn der Hämoglobinwert und das Serumeisen normwertig sind.
Die Referenzwerte werden aus den Durchschnittswerten der Bevölkerung gebildet. In der Population der Frauen sind nun mal viele menstruierende dabei, die durch den Blutverlust einen Eisenmangel haben. Das geht in die Durchschnittswerte mit ein. Eine Frau sollte einen Wert von ca. 50ng/ml haben.
Und damit komme ich wieder zurück zum Anfang des Textes: Ich hatte selbst immer Werte von ca. 23ng/ml. Meine Haut war schon immer trocken, immer wieder hatte ich Phasen von Haarausfall, die ich mir nicht erklären konnte. Die Ergebnisse sagten aber aus: nur leicht blutarm, die Eisenwerte im Serum normal, mein Blutbild war also eigentlich okay. Aber die Müdigkeit und die bleiernen Beine wurde ich nicht los. Als ich dann wegen des Sports mit der Einnahme von Eisen begann, ging es mir nach und nach besser.
Probiert das mal aus, aber lasst bitte vorher den Ferritinwert bestimmen, denn eine Überladung mit Eisen ist gefährlich. Sie kann zwar kaum durch eine orale Einnahme von Tabletten passieren, aber wer eine unentdeckte Hämochromatose in sich trägt, sollte natürlich kein Eisen substituieren, sondern es eher loswerden.
Falsch erhöht kann das Ferritin bei Infekten oder Tumoren sein, da es ein sogenanntes Akute-Phase-Protein darstellt.
So, eigentlich wollte ich noch etwas über Hepcidin, einen Regulator der Eisenaufnahme schreiben, aber ich bin müde. Diesmal aber nicht des Eisenmangels wegen, sondern weil der Text nun echt lang wurde. Falls die Konzentration noch nicht nachgelassen und ihr es bis hierhin geschafft habt, dann kann kein Eisenmangel vorliegen, das ist doch schon mal was. Diagnostik nach Schwesterfraudoktor.
Ob das in die Leitlinie kommt?
Quellen:
https://www.amboss.com/de/wissen/eisenmangel/
https://www.kantonsspitalbaden.ch/fuer-zuweisende-Aerzte/Dokumente/regulation_eisenstoffwechsel.pdf
https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/7313/01.Einfuehrung.pdf?sequence=2
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Eisen-Stoffwechsel
Bild: Jerzy Górecki auf Pixabay