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Warum ich mit Leib und Seele Landärztin... war

So. 

 

Der Deutsche sagt ja gerne „So“. 

 

Also, so. Ist euch aufgefallen, dass in dem Wort „also“ das Wörtchen „so“ steht? Das nur am Rande. 

 

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Daher dieses Rumgestammel. Aber nun mache ich es eben wie ein Pflaster abzureißen:

 

Ab dem ersten Oktober werde ich nicht mehr in der Allgemeinmedizin tätig sein. 

Die letzten Wochen waren für mich sehr turbulent und schmerzhaft und ich weiß auch noch nicht, wie es weitergeht. 

 

Aber es ist so („so“): 

Seit einem Jahr bin ich als Fachärztin in Anstellung in einer Landarztpraxis tätig. Nachdem ich nach dem Ende meiner Facharztweiterbildung meine Weiterbildungspraxis verlassen und viele liebe Menschen hinter mir lassen musste, hatte ich eine neue Praxis gefunden und mich schnell eingefunden. Das Team hat mich sehr schnell aufgenommen und innerhalb kürzester Zeit war ich Teil der Praxis. Zu dieser gehörte auch eine kleine Zweigpraxis im Hinterland. Was ich damals schon wusste, aber nicht als Problem für meine Arbeit ansah: auf der Praxis lastete ein großer Regress. Ein sehr großer. Ich darf über diese Umstände schreiben, das habe ich geklärt. Aber ich möchte nicht zu sehr in Detail gehen. 

Jedenfalls sah ich meine Aufgabe viel mehr darin, mit meiner Anstellung (mit 30h/Wo) die Praxis zu entlasten und auch die kleine Zweigstelle mit zu führen. Neben mir gab es noch eine andere angestellte ältere Ärztin in Vollzeit, die aber aus verschiedenen Gründen leider ausschied, als ich kam.

Nun wurde es in der Organisation deutlich schwieriger, weil die Haupt- und die Zweigpraxis mit nur zwei Ärztinnen parallel befahren werden mussten. Aber es ging irgendwie. 

 

So.

 

Dann trudelte der nächste Regress ins Haus, dieser war zwar angekündigt, aber der zurückzuzahlende Betrag lag nun deutlich höher, als vermutet. Das bedeutete dann für mich das Ende in der Praxis, da die Zweigstelle aus Kostengründen (Miete, Personal, Lizenzen etc und dafür zu wenig Patienten in dem kleinen Dorf) geschlossen wurde und insgesamt Geld gespart werden soll.

 

So.

 

Nun hatte ich gestern unter vielen Tränen meinen letzten Arbeitstag und stehe nun da mit all meinen Gedanken. 

 

„Mach doch eine eigene Praxis auf!“ Den Satz höre ich oft und ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, Praxisinhaber und -innen befragt, einen Existenzgründer beauftragt, gelesen und gelesen. Mein Fazit ist: Noch schaffe ich das nicht. 

Es wäre eine schöne Option, ich hätte Ideen, ich hätte Patienten und Patientinnen, die mir folgen würden. 

 

Aber noch kann ich keine 50 Stunden in der Woche arbeiten. Meine Kinder und ich wohnen alleine, sie werden zwar größer, aber noch sind sie eben Kinder und ich möchte für sie da sein. Das kann ich nicht, wenn ich parallel eine Praxis leite. 

 

Die Menschen, die das tun, haben meiner Ansicht nach entweder keine Kinder oder Partner bzw. Partnerinnen, die viel abfangen können. Teilweise habe ich mit meinen Arbeitsstunden, Haushalt, Einkaufen, Wäsche, Kochen, Hausaufgaben, meine Auftragstexte schreiben und die Kinder viermal in der Woche zu Sport und Musik fahren schon einen Tag, der deutlich länger sein müsste, weil die Zeit nicht reicht. Gleichzeitig liebe ich das, denn noch kann ich meine Kinder genießen und sehen, wie toll sie sich entwickeln. Auch das wird in einigen Jahren weniger werden, wenn sie flügge werden oder sind.

 

Darüberhinaus ist die Arbeit in der Allgemeinmedizin erschöpfend und wird es immer mehr. Die täglichen Schlangen vor der Praxis, der sich verschärfende Ton, die einzuhaltenden Vorgaben, die Bürokratie (selbst ich als Angestellte sitze nach jeder Sprechstunde nochmal ca. eineinhalb Stunden am Papierkram), die Organisation, Computerkram, die Unterversorgung, das "der Hausarzt macht das", die drohende Mitversorgung in integrierten Notfallzentren, Personalverantwortung, Honorarstreichungen (Wo bleibt die versprochene Entbudgetierung?), Honorarsteigerungen, welche lachhaft sind bei den explodierenden Kosten. Nein, als Inhaberin einer Einzelpraxis würde ich das nicht schaffen. 

 

Nun muss ich schauen, wo der Weg mich hinführt. Ich habe Bewerbungen geschrieben und werde meine Schreibtätigkeit wieder ausbauen. Alles andere wird sich fügen, da bin ich sehr positiv eingestellt. Dennoch ist es aktuell auch ein Abschied von meinen lieben Kolleginnen und vielen Patienten, die mir ans Herz gewachsen sind. Sieben Jahre war ich nun Hausärztin, nun gibt es wieder eine weniger. Aber was solls, wir haben ja genug, haha. 

 

Auf zu neuen Ufern…

 

So.

 

Wir lesen uns. 

 

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Bild: Alexa, Pixabay